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Schnallt den Gürtel enger

Es war einmal, kurz vor der Jahrtausendwende, eine Regierung und ein Parlament, das wollte ihren garnicht so popeligen Regierungssitz in einen neuen, noch weniger popeligen verlegen. Es wurden Pläne geschmiedet und dabei an alles gedacht was gut und teuer ist. Selbst so Kleinigkeiten wie die privaten Umzugskosten (incl. Reitpferde und Yachten) und die Betreuung der Parlamentarierkinder am neuen Ort wurden penibel und großzügig geplant und eingerechnet. Die Kosten wuchsen in schwindelerregende Höhen.

Zur gleichen Zeit aber begab es sich, daß die Finanzlage im ganzen Land nicht mehr so rosig war. Allerorten wurden Arbeitsplätze eingespart, immer mehr Menschen hatte keinen Job mehr, die Steuereinnahmen waren rückläufig, und bis in die regionalen Verwaltungen herrschte Ebbe in den Kassen. Die Bürger wurden dazu ermahnt, ihren Gürtel enger zu schnallen und nicht zu murren, wenn die eine oder andere Steuer erhöht wird, oder die Kommunen sich immer neue Einnahmequellen erschufen, um mit dem neuen Geld die Kassen wieder einigermaßen zu füllen.

Trotzdem reichte es an allen Ecken und Enden nicht. Für die dringend benötigten Kindergartenplätze gab es ebensowenig Mittel wie für neue Lehrer (von denen fehlten tausende) oder die personelle und materielle Aufrüstung der Ordnungskräfte und, und und .... Für die Rentner, die ihr ganzes Arbeitsleben lang geschuftet und in die Rentenkasse gezahlt hatten, war plötzlich viel zu wenig Geld da, weil es für andere, wichtigere Dinge (zumindest wichtiger als die alten Leute) gebraucht wurde.

In dieser Situation beschlossen die Parlamentarier, ihren Umzug solange zu verschieben, bis auch dafür wieder genügend Mittel zur Verfügung stehen würden, verzichteten sogar (aus Solidarität mit dem gebeutelten Volk) auf die Erhöhung ihrer Diäten, und genossen die volle Sympathie ihrer Untertanen, die nun kollektiv diese allgemeinen materiellen Einschränkungen ohne Murren verkrafteten (wo doch bis dahin so viel von Politikverdrossenheit zu spüren war). Ein Volk bewies, daß es gemeinsam auch durch schlechtere Zeiten zu kommen versteht.

Leider aber ist dies nur ein Märchen. Die Volksvertreter verzichteten natürlich nicht auf die Erhöhung ihrer Diäten und schon gar nicht auf den extrem teuren Umzug in die neuen Domizile, die Kassen wurden ohne Rücksicht auf Verluste noch mehr geplündert, und wenn sie nicht gestorben sind, dann plündern sie noch heute.