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Die alte Hure

Träge lehnt die Frau am Tresen,
sie war wohl einmal schön gewesen,
seit jungen Jahren saufen, huren,
das Leben kerbte seine Spuren.
Die grelle Schminke schafft es nicht,
auch das gedämpfte Rotlicht nicht,
die Jugend ihr zurückzugeben,
verspielt, verloren, dieses Leben.
Da hilft auch nicht das kesse Klimpern
mit den angeklebten Wimpern,
die Augen blicken glanzlos, matt,
der schöne Mund schon Runzeln hat.
Der Rock zu kurz und viel zu billig,
der Ausschnitt tief, sie ist ja willig,
doch selten nur, für wenig Geld,
ein Freier in ihr Lager fällt,
meist dreckig und betrunken,
wie tief ist sie gesunken.
Ein Typ mit Rolex, gold'ner Kette,
vorgefahr'n mit 'ner Corvette,
betritt die kleine, miese Bar.
Die Frau streicht hektisch über's Haar,
versucht zu lächeln, zu gewinnen,
der Loddel ist nicht umzustimmen.
Ein kurzer Streit, es geht um Geld,
was sie ihm scheinbar vorenthält,
brutal schlägt er ihr in's Gesicht,
das dicke Make-up wird verwischt
vom Schlag, von Tränen und von Blut.
Nicht zu bremsen in der Wut,
schlägt der Typ noch einmal zu,
nun hat die Hure ewig Ruh'.
Ihr Kopf traf hart des Tresens Ecke,
der Schädel brach wie dünnes Knäcke.
Jetzt hat auch sie einmal gewonnen,
ihr Erdenleben zwar zerronnen,
im Himmel kann sie, jung und schön,
als Engel sich im Spiegel seh'n.